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Bonn (KNA) Die religiöse Vielfalt im Irak ist nach Worten des Beauftragten der Bundesregierung für Religions- und Weltanschauungsfreiheit, Frank Schwabe, in Gefahr. „Die Lage bleibt schwierig“, die Herausforderungen seien anhaltend groß, sagte er in einem am Montag veröffentlichten Interview der Deutschen Welle. Es könne weiterhin passieren, „dass Religionen, die seit Jahrhunderten oder Jahrtausenden in der Region verwurzelt waren, marginalisiert werden oder gar verschwinden“.


Der SPD-Bundestagsabgeordnete war am Samstag von einer knapp einwöchigen Irak-Reise zurückgekehrt. Im Mittelpunkt seiner Gespräche in Bagdad, Erbil und Dohuk stand demnach die Lage der Jesiden sowie anderer religiöser Minderheiten.

Die Religionen, auch in der Vielfalt christlicher Kirchen, seien noch vorhanden, sagte Schwabe. Doch die Zahl der Angehörigen der Religionen und religiös-ethnischen Gemeinschaften sei binnen kurzer Zeit dramatisch geschrumpft. Er sprach von hohem Druck auf religiöse und ethnische Minderheiten.

Der Beauftragte äußerte sich auch zu Auswirkungen des Bundestagsbeschlusses vom Januar, die Verbrechen an den Jesidinnen und Jesiden als Völkermord einzustufen. All seine Gesprächspartner hätten sich auf diesen Schritt des deutschen Parlaments bezogen; „Deutschland wird im ganzen Irak und insbesondere in der Region Kurdistan-Irak hoch geschätzt.“ Dabei zeige sich Dankbarkeit, aber auch eine hohe Erwartung.


Deutlich über 100.000 Jesidinnen und Jesiden lebten nach wie vor in Lagern. Die meisten von ihnen seien seit mittlerweile neun Jahren ohne wirkliche Perspektive. „Viele jesidische Frauen leben immer noch bei ihren Peinigern; weil sie nicht wissen, wohin sie sollen“, so Schwabe.

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München (KNA) Christen im Irak sehen sich nach den Worten des syrisch-katholischen Erzbischofs Nathanael Nizar Wadih Semaan nach wie vor als Bürger zweiter Klasse. Dies teilte das katholische Hilfswerk „Kirche in Not“ am Donnerstag in München mit. Daran habe auch der Sturz des Regimes von Saddam Hussein nichts geändert. Der Kirchenmann betonte: „Wir fordern eine Verfassung, die sich auf Menschlichkeit gründet – nicht auf Religion.“ Denn eine Verfassung, die auf einer bestimmten Religion basiere, bedeute, dass man gemäß dieser behandelt werden könne. Das aber möchten die Christen nicht. Sie wollten vielmehr als „irakische Bürger“ behandelt werden.

Nizar leitet die syrisch-katholische Kirchenprovinz Adiabene mit Sitz in Ankawa bei Erbil, der Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan. Seinen Worten zufolge bemühen sich die Christen um gute Beziehungen zur Zentralregierung wie zur kurdischen Verwaltung. Sie verlangten nichts Besonderes, sondern nur, dass ihre Menschenwürde genauso akzeptiert werde wie die aller anderen Iraker.

Laut des im Frühjahr 2023 auf Deutsch erschienenen Berichts „Verfolgt und vergessen?“ von „Kirche in Not“ ist die derzeit gültige irakische Verfassung von 2005 widersprüchlich. Sie schütze zum einen die religiösen Rechte von Christen und anderen Minderheiten. Zum anderen bestimme sie den „Islam zur Staatsreligion und zu einer Quelle der Gesetzgebung“. Der Übertritt vom Islam zum Christentum sei gesetzlich verboten. Christen fühlten sich nach wie vor in Eigentumsfragen, am Arbeitsplatz und bei öffentlichen Ämtern benachteiligt. Hinzu komme die anhaltende Bedrohung durch Schläferzellen des „Islamischen Staates“ (IS).

Die irakische Regierung habe sich aber auch Christen und andere religiöse Minderheiten zugewandt, heißt es. So sei Weihnachten seit 2020 ein nationaler Feiertag. Große Bedeutung habe der Irak-Besuch von Papst Franziskus im März 2021 gehabt, der den Christen Hoffnung gegeben habe. – Die Zahl der Christen im Irak liegt nach Schätzungen von „Kirche in Not“ heute bei 150.000, im Jahr 2014 waren es noch etwa doppelt so viele. Damals hätten die Eroberungen des IS begonnen, die zu einem Völkermord an der christlichen Minderheit geführt und Zehntausende zur Flucht gezwungen hätten.

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